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Was ist ein (guter) Bluff?

Ein guter Bluff ist ein Kunstwerk und der wahre Beweis eines ausgeprägten Spielverständnisses. Es erfordert Mut, mentale Stabilität, feines Gespür für die Richtigkeit des Augenblickes und natürlich sehr viel Erfahrung, um den oder die Gegner zu täuschen. Denn ein erfolgreicher Bluff ist die Krönung der schauspielerischen Verstellungs- und Verwirrungsstrategie, die ein einfaches Ziel verfolgt, die Chips im Pot einzustreichen, ohne die wahre Stärke oder vielmehr die Schwäche der eigenen Hand zu offenbaren.

Poker ist ein Geduldspiel, bei dem Empathie, Gedächtnis und Wiedererkennen der Verhaltensmuster in bestimmten Situationen von entscheidender Bedeutung sind.  Dabei gilt: Es kann nur derjenige geblufft werden, für den das Aussteigen eine Option darstellt. Diese Handlungsalternative mit aggressiven, mehrmaligen Erhöhungen so lange zu verstärken, bis sie die einzige logische Konsequenz im Kopf des Gegners darstellt, ist die Aufgabe eines Bluffs. Die Komplexität dieser wirksamen Waffe im Arsenal eines jeden ernstzunehmenden Pokerspielers soll durch die nachfolgende Sammlung der zahlreichen Faktoren zumindest ansatzweise deutlich.

Ein zweifelsohne gewichtiger Punkt ist die Anzahl der Spieler, die sich in der Hand befinden. Je weniger Kontrahenten, desto größer die Chance, dass ein Bluff gelingt. Bei mehreren Gegnern ist das Risiko größer, dass sich ein Mitspieler entscheidet, der Stärke der eigenen Hand zu vertrauen, bis einem der Duellanten die Chips ausgehen. Tendenziell sinkt die Bluffwahrscheinlichkeit mit jedem weiteren Spieler, der sich im Pot befindet, auch deswegen, da die Wahrscheinlichkeit steigt, dass ein Gegner mit einer extrem starken Hand eine Falle für die weiteren Setzrunden stellt. Es gibt nichts Schlimmeres, als die Hand zu repräsentieren, die der Gegner hält!

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist das Verhältnis des eigenen Chipstands zu denjenigen des Gegners. Im Turnierpoker wird häufig pauschal behauptet, dass ein Bluff gegen mittelgroße Chipstände versucht werden soll. In der Tat wird ein Bigstack eher dagegenhalten und sich womöglich von allen Erhöhungen nicht beeindrucken lassen. Dagegen wird der Shortstack häufig nichts zu verlieren haben und sich weigern auszusteigen. Diese Sichtweise greift allerdings zu kurz, weil dabei weitere Informationen wie beispielsweise das Wissen über die Spielweise des Gegners unberücksichtigt bleiben.

Es ist aber die konzentrierte Beobachtung die für den guten Bluff von entscheidender Bedeutung ist. Über eine längere Zeitspanne (mehrere Stunden oder Sessions) sollte die Spielweise der direkten Kontrahenten analysiert und bewertet werden.  Spielen die Gegner ängstlich oder aggressiv nach dem Flop? Wie viele Erhöhungen sind sie bereit mitzugehen, bevor sie aussteigen? Lohnt es sich, einen letzten Versuch auf dem River zu starten und falls ja, wie hoch soll der Einsatz im Vergleich zum Pot sein? Respektieren sie das Spiel anderer? Wie groß ist ihre Bluffsensibilität d. h. jagen sie Bluffs oder vermuten sie eher eine starke Hand beim Gegner? Wer sich die Mühe gibt, das Puzzle aus den gesammelten Erfahrungswerten zusammenzustellen, wird sicherlich die ideale Chance erkennen, einen großen Bluff erfolgreich zu platzieren.

Die Maxime lautet: Spieler, die sich von ihren guten Händen nicht trennen können oder Spieler auf Tilt, dürfen nicht geblufft werden. Die einen sind viel zu berechenbar, die anderen völlig unberechenbar. Gegen diese Gegner sollten die eigenen starken Hände auf äußerst aggressive Art und Weise ausgereizt werden.

Jeder Versuch den Pot zu stehlen wird zu einer kostspieligen Angelegenheit, wenn die Gegner keine Bereitschaft zeigen, aufzugeben. Es ist darüber hinaus wichtig zu wissen, ob ein Gegenspieler in der Lage ist auszusteigen, obwohl dieser bereits sehr viele Chips in den Pot investiert hat. Beinahe alle Spieler werden alle Chips riskieren, wenn die Größe des Pots im Vergleich zu ihren restlichen Chips viel zu groß wird und sie dadurch gezwungen werden, alles auf diese Hand zu setzen (da sie Pot-Commited sind).

Zu einem guten Bluff gehört, neben dem Gespür für die Situation und dem taktischen Verständnis, zwingend das Befolgen der elementaren Pokererkenntnisse:
Jeder, auch der kleinste Informationsvorsprung ist Geld wert, daher soll der Bluff bevorzugt in Position gespielt werden.

Die Einsatzsequenz soll in sich schlüssig d. h. logisch nachvollziehbar sein, damit ein aufmerksamer Gegenspieler nicht misstrauisch wird.

Im Handverlauf muss sich für den Gegner ein mögliches Blatt herauskristallisieren, das der Bluff repräsentiert. Passt das Blatt zu der Wahrnehmung der eigenen Range ist der Erfolg dieses Täuschungsmanövers beinahe vorprogrammiert.